Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31(6): 307-313
DOI: 10.1055/s-2006-951816
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reduktion der präoperativen Nahrungskarenz

Potenzial zur metabolischen KonditionierungNew Preoperative Fasting GuidelinesPotential for Metabolic ConditioningJ.  P.  Breuer1 , C.  von Heymann1 , C.  Spies1
  • 1Charité - Centrum für Anästhesiologie, OP-Management und Intensivmedizin, Universitätskliniken für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum, Charité - Universitätsmedizin Berlin
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Publication Date:
29 November 2006 (online)

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Zusammenfassung

Die strenge traditionelle präoperative Nahrungskarenz vor elektiven Eingriffen mit dem Ziel einer Reduktion des perioperativen Aspirationsrisikos wird bereits seit Jahren kritisch hinterfragt. Insbesondere im Hinblick auf die präoperative Einnahme von klarer Flüssigkeit wurde gezeigt, dass von einer vollständigen Magenpassage innerhalb von zwei Stunden sicher ausgegangen werden kann und das Trinken begrenzter Mengen bis zu diesem Zeitrahmen vor Allgemeinanästhesie ohne erhöhtes Risiko einhergeht. Als Konsequenz wird neben anästhesiologischen Gesellschaften anderer Länder seit kurzem auch in Deutschland im Sinne eines verbesserten perioperativen Wohlbefindens offiziell ein gelockerter Umgang mit der Einnahme flüssiger wie fester Nahrung vor elektiven Eingriffen empfohlen. Neben dem erhöhten Patientenkomfort scheint die Möglichkeit einer Optimierung des präoperativen Ernährungszustandes weiter reichende Einflüsse auf den klinischen Benefit zu haben. Zahlreiche experimentelle wie klinische Studien zeigen, dass zusätzlich zu dem chirurgischen Trauma präoperatives Fasten per se ein relevanter metabolischer Stressfaktor darstellt. Durch eine kurzfristige präoperative Kalorienzufuhr durch beispielsweise die orale Einnahme kohlenhydratreicher klarer Flüssigkeit kann dagegen eine metabolische Konditionierung erreicht und solchen Faktoren wie postoperative Insulinresistenz, Proteinkatabolismus und eingeschränkte Organfunktionen präventiv begegnet werden. Vor diesem Hintergrund sollte das Trinken klarer kalorienreicher Flüssigkeit bis zwei Stunden vor Narkoseeinleitung nicht nur erlaubt, sondern möglicherweise routinegemäß verschrieben werden.

Abstract

Over the past several years, the traditional practice of overnight fasting prior to elective surgery to reduce the risk of pulmonary aspiration has been scientifically challenged. In particular, the limited intake of clear fluids within two hours has shown reliable gastric emptying and no increased risk for patients. Because of this, the official guidelines of the Anaesthesiology Societies of many countries including Germany have recently been changed. These guidelines recommend more liberal policies for oral fluid and solid food intake, primarily to decrease perioperative discomfort. However, improved preoperative nutritional status appears to have other clinically beneficial effects. Many experimental and clinical studies in the literature have shown the preoperative fasting state to be a supplementary stress to the surgical trauma. The short-term preoperative administration of calories, e. g. by oral administration of carbohydrate-rich clear fluids, may lead to metabolic conditioning and preventively treat entities such as postoperative insulin resistance, protein catabolism, and organ dysfunction. Because of this, the administration of calorie-loaded clear fluids prior to elective surgery should not only be allowed but should be part of routine clinical practice.

Literatur

Prof. Dr. med. Claudia Spies

Centrum für Anästhesiologie, Intensivmedizin und OP-Management, Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum, Charité - Universitätsmedizin Berlin

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